Mozart-Pägagogik
oder „Wie fördere ich die Leistungsbereitschaft und Kreativität meines Kindes?“
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1. Vergiss nie, dass du für dein Kind, vor allem wenn es noch klein ist, eine gottähnliche Autorität bist und hast. Von deinem Kind aus gesehen bist du im Besitz der uneingeschränkten Macht und Verfügungsgewalt, missbrauche diese nicht und sei dir immer der großen Verantwortung bewusst, die du deinem Kind gegenüber hast.
2. Dein Kind ist zwar dein Kind, es ist aber nicht dein Besitz. Es gehört sich selbst und ist dir geschenkt und anvertraut worden. Es verdankt dir zwar sein Leben, ist aber deswegen nicht verpflichtet, alle deine Erwartungen zu erfüllen. Das Potential und der Lebensplan deines Kindes werden sich optimal entfalten und entwickeln, wenn du versuchst, seine Eigenart zu respektieren und es in einem ausgewogenen Verhältnis zu fordern und zu fördern.
3. Betrachte dich selbst immer wieder durch die Augen deines Kindes und begib dich auf seine Ebene des Wahrnehmens und des Erlebens, sei so authentisch, einfach, durchschaubar und berechenbar wie möglich, dann wird dein Kind dein wahres Wesen fühlen. Es dir vertrauen und du wirst ihm Halt und Führung geben können.
4. Bleibe dir stets gegenwärtig, dass du mit deinem Kind zwar in der Liebe verbunden und auch eins bist, dass aber doch jeder von euch beiden eine eigenständige, selbstbestimmte und -bestimmende Person ist. Spiegle deinem Kind, - ohne es abzuwerten – wie du es wahrnimmst und sprich über deine Gefühle und Erwartungen. Sei sehr offen dafür und interessiert daran, wie dein Kind dich spiegelt. Du kannst daran wachsen, wenn du dich darum bemühst, für dein Kind so ein Erwachsener zu sein, wie du ihn früher in deiner eigenen Kindheit gerne um dich gehabt hättest. Vertraue der Kraft und Magie eurer Liebesbeziehung und lasse dich nicht hinreißen, im Namen von xyz deinem Kind etwas anzutun oder von ihm etwas zu fordern, was du ohne diesen Einfluss von außen nicht tun würdest.
5. Versuche, dir selbst gegenüber ehrlich und so transparent wie möglich für dein Kind zu sein. Je besser es dich versteht, desto mehr kann es dir vertrauen und sich sicher fühlen. Du musst nicht immer „gut“ und/oder „richtig“ sein, du darfst und sollst so sein, wie du bist. Stehe zu dir und versuche nicht, besser zu erscheinen als du bist. Dein Kind liebt und achtet dich umso mehr, wenn du deine Menschlichkeit selbst annimmst, lebst und liebst. Perfektionismus wirkt auf ein Kind hemmend und destruktiv und Heuchelei verunsichert es zutiefst. Vergiss aber nie, dass dein Kind am allermeisten durch dein Vorbild beeinflusst wird.
6. Sei immer offen für Überraschungen und Wunder im Umgang mit deinem Kind. Begrenze es nicht durch deine Vorstellungen und Urteile, sei bereit, von und mit deinem Kind zu lernen und sei dir bewusst, dass auch du ständig über dich hinauswachsen kannst und wirst, wenn du dich nicht durch deine Vorstellungen definierst und begrenzt.
7. Gib deinem Kind so viel Raum wie möglich für seine eigenen Untersuchungen, Ideen und Ziele. Sei immer bereit, alles dafür zu tun, dass dein Kind das, was es sich vorgenommen hat, verwirklichen kann und wird. Gib keine Lösungen und Anweisungen sondern nur so viel Hilfestellung, dass dein Kind Raum zum Ausprobieren und Handeln hat und am Ende das Gefühl, alles selbst geschafft zu haben.
8. Entmutige dein Kind nie und erwarte alles und nichts. Wenn du Angst hast, dann behalte sie für dich, aber mache dein Kind darauf aufmerksam, achtsam und umsichtig zu sein, und dann gib ihm das Gefühl, dass du ihm vertraust und dass es das schaffen wird und kann, was es vorhat. Auch das Scheitern gehört zum Lernen, und es ist wichtig, den Weg zum Ziel zu genießen, anstatt nur auf das Ergebnis zu schielen. Vergiss dich selbst nicht und verliere nie deine Zentrierung im Umgang mit deinem Kind.
9. Achte darauf, dass dein Kind nicht von deinem Lob und/oder Tadel abhängig wird, denn dann verbaust du die Beziehung, die es selbst zur Quelle seiner eigenen Kreativität hat. Hüte dich davor, dein Kind zu bestechen oder es zu manipulieren. Vergleiche dein Kind nicht mit anderen und schaue nicht auf das Ergebnis, sondern konzentriere dich auf die jeweilige Motivation und die Möglichkeiten der Verwirklichung von der Absicht zum Ziel. Schmücke dich nicht mit deinem Kind, wenn es besser ist als andere und schäme dich nicht, wenn es versagt, erkenne deine Eitelkeit und Gefallssucht und lasse sie bei dir.
10. Zeige deinem Kind, dass du stolz und glücklich bist, wenn es dir nacheifert, aber akzeptiere es auch, wenn dein Kind andere Interessen, Fähigkeiten und Begabungen hat als du. Organisiere Gelegenheiten und Beziehungen, in denen dein Kind das lernen und üben kann, was ihm wichtig und erstrebensWERT ist. Nimm dich auch manchmal bewusst zurück und gib Raum für andere Menschen, mit denen dein Kind eine enge Beziehung haben will, aber sei immer da als Auffangnetz bei allen Nöten und Schwierigkeiten. Dulde nicht, dass dein Kind von anderen Menschen manipuliert und/oder emotional missbraucht wird.
11. Wenn du deinem Kind etwas beibringen willst, dann beachte den Unterschied zwischen Dressur und Selbstermächtigung. Bei der Dressur bist du auf die Leistung, das Ergebnis fokussiert und es interessiert dich nur, ob und wie schnell dein Kind das lernt und kann, was du von ihm erwartest. Bei der Selbstermächtigung bleibt dein Kind als Erbringer der Leistung im Mittelpunkt deiner Aufmerksamkeit, du unterstützt dein Kind dabei, seine eigene Macht zu vergrößern, indem es sein Können und seine Fähigkeiten erweitert, die Leistung ist und bleibt seine.
12. Sei dir immer bewusst, dass alle strombetriebenen Geräte Lebensenergie fressen und die Kinder sehr einseitig stimulieren, während die Natur in jeder Form sie mit Lebensenergie nährt, deswegen: Verbringe so viel Zeit wie möglich draußen und ermögliche dir und deinem Kind viel Raum und Bewegung in frischer Luft, und ermögliche ihm den nahen und direkten Umgang mit Tieren und Pflanzen, denn dabei werden vor allem die Aspekte des Seins stimuliert, die in der Schule und bei der Beschäftigung mit technischen Geräten eher weniger gefördert werden: der körperliche, der gefühlsmäßige und der spirituelle.
13. Wenn dein Kind ein Problem, einen Schmerz oder Wut hat, dann gibt ihm erst einmal Raum und Zeit, das zu fühlen. Höre ihm zu, ohne zu bewerten und sei einfach bei und mit ihm. Versuche dann, wenn das Schlimmste vorbei ist, deinem Kind zu helfen, das ganze zu verstehen, ohne ihm seine unangenehme Erfahrung ausreden oder herunterspielen zu wollen. Konflikte, Schmerzen, Ärger und Probleme gehören zum Leben und Konfliktfähigkeit und Frustrationstoleranz sind sehr wichtige Eigenschaften, die man im Lauf der Kindheit erwerben kann, wenn die Eltern sensibel dafür sind und sich Zeit und Raum für die Sorgen und Nöte ihres Kindes nehmen.
14. Kommuniziere klar und eindeutig. Wenn du etwas Bestimmtes von deinem Kind erwartest, dann teile ihm dies unumwunden mit und zeige deutlich deine Freude und Befriedigung, wenn dein Kind deine Erwartung erfüllt hat. Ist das nicht der Fall, sprich mit deinem Kind darüber und versuche die Situation so enden zu lassen, dass es sowohl dir als auch deinem Kind gut geht. Nimm in einem Konflikt nie gedanklich die Lösung vorweg, sondern sei offen für etwas ganz Neues, wovon jeder überrascht ist. Höre deinem Kind immer aufmerksam zu und bestehe darauf, dass es auch dir aufmerksam zuhört. Bestrafe dein Kind nie mit Liebesentzug, aber erlaube dir, dich zurückzuziehen, wenn du nicht mehr kannst. Dein Kind muss auch lernen, dass deine Kraft und Geduld Grenzen hat und dass du manchmal deinen eigenen Raum und deine Ruhe brauchst. Umgekehrt solltest du es auch immer respektieren, wenn dein Kind sich deinem Zugriff entziehen will.
15. Diene deinem Kind, wo es deine Unterstützung braucht, aber gib auch deinem Kind Gelegenheit, dir zu dienen, damit es Geben und Nehmen lernen und gleichermaßen genießen kann, denn dies sind die zwei Pole der menschlichen Aktivität:
Das Weibliche, Passive, Empfangende, Aufnehmende auf der einen Seite und das Männliche, Aktive, Sendende, Erschaffende, Gebende auf der anderen Seite. Beides gehört zum Leben wie Einatmen und Ausatmen und sollte gleichermaßen entwickelt und praktiziert werden.
Samiri Uta Reichenberger an Ostern 2014
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Aus meinem Buch “Macht und Willkür”:
Über die Leidenschaft für die Musik des Kindes Wolfgang Amadeus Mozart gibt es zahlreiche Zeugnisse: „Wenn der Kleine in der Wiege schrie, … so nahm der Vater seine Geige – er war ja auch Konzertmeister in der erzbischöflichen Hofkapelle – und begann zu spielen. … der Kleine hörte sofort auf zu schreien. Als er das Krabbelstadium hinter sich hatte und mit den Händchen bereits die Tischkante erreichte, ließ er, … Tischtücher und alles, was darauf lag, unbehelligt, denn sein Ziel war das Pianoforte, das ihn magnetisch anzog. Gab der Vater Nannerl Klavierunterricht, so hockte er sich neben oder unters Klavier und lauschte verzaubert. War die Stunde zu Ende, so rangelte er sich zur Tastatur hinauf und entlockte nun selbst dem Instrument mit zwei Fingern allerlei Töne. Gelang ihm eine Terz oder sonst ein harmonischer Zusammenklang, dann jauchzte er vergnügt auf. 18(zitiert aus Witeschnik, Alexander, “Ihr Edler von Sauschwanz”, S. 12)
Der Hoftrompeter Schachtner erzählt von einem Erlebnis, das sich zutrug, als Wolfgang noch keine sieben Jahre alt war: „Als die Mozarts von Wien zurückkamen, und Wolfgang eine kleine Geige, die er als Geschenk in Wien kriegte, mitbrachte, kam zu ihm unser ehemaliger sehr guter Geiger Hr. Wentzl seel., der ein Anfänger in der Composition war, er brachte 6 Trio mit, die er in Abwesenheit des H. Papa verfertigt hatte, und bat H. Papa um seine Erinnerung hierüber. Wir spielten diese Trios, der Papa spielte mit der Viola den Bass, der Wenzl die erste Violin, und ich sollte die 2te spielen. Wolfgangerl bat, dass er die 2te Violin spielen dürfte, der Papa aber verwieß ihm seine närrische Bitte, weil er noch nicht die geringste Anweisung in der Violin (gehabt) hatte, und der Papa glaubte, dass er nicht (das)
mindeste zu leisten im Stande wäre. Wolfgang sagte: ‚Um eine 2te Violin zu spielen, braucht man es ja wohl nicht erst gelernt zu haben, und als Papa darauf bestand, dass er gleich fortgehen, und uns nicht weiter beunruhigen sollte, fing Wolfgang bitterlich an zu weinen und trollte sich mit seinem Geigerl weg. Ich bat, dass man ihn mit mir möchte spielen lassen, endlich sagte Papa, ‚geig mit H. Schachtner, aber so stille, dass man dich nicht hört, sonst musst du fort,´ das geschah. Wolfgang geigte mit mir, bald bemerkte ich mit Erstaunen, dass ich da ganz überflüssig war, ich legte still meine Geige weg und sah Ihren H. Papa an, dem bei dieser Szene die Tränen der Bewunderung und des Trostes über die Wangen rollten, und so spielte er alle 6 Trio.“ 19 (zitiert aus Publig, Maria, “Mozart, Ein unbeirrbares Leben”, Langen Müller, München 1991, S. 35ff).
Dies trug sich zu im Jahr 1762, Leopold Mozarts Lehrbuch „Gründliche Violinschule“ war bereits seit sechs Jahren auf dem Markt. Sicherlich hatte er schon sehr viele mehr oder weniger begabte Musikschüler im Geigenspielen unterrichtet, deswegen konnte er mehr als die anderen Zeugen dieser Szene ermessen, dass die Musik und sein kleiner Sohn eine Einheit waren. Auf wunderbare Weise erweckte Wolfgang das Instrument zum Leben und spielte mit den Großen, als wenn er schon jahrelang geübt hätte. So selbstverständlich, wie andere Kinder das Singen lernen, so ließ der Kleine seine geliebte Musik erklingen, das Spielen des Instruments war für ihn leicht und ging wie von selbst, eben weil es keine Trennung gab zwischen ihm und der Musik. In innigster Liebe und Hingabe werden aus zwei eins und das eine drückt sich durch das andere aus und umgekehrt.
Textstelle aus “Macht und Willkür, eine lebenübergreifende Autobiographie”, Uta Samiri Reichenberger, Pans Wunderverlag 2008 S. 77f
Leopold, der Zuverlässige, hatte als Kind keine Freiheit und auch keine individualistische Förderung. Seine Mutter hat nach ihm noch sieben Kinder geboren: als er zwei, drei, sechs, acht, zehn, zwölf und sechzehn Jahre alt war. Mit vier Jahren wurde Leopold in die Marianische Männerkongregation Augsburg eingeschult, er war dort eines von 400-500 Kindern und musste sich einfügen und anpassen. Mit Mönchen und Priestern hatte er es dort zu tun, die ihre Rolle perfekt spielten und vollkommen hingegeben waren an die Ideale ihres Ordens und an Gott, wie sie ihn sahen. Das gleiche tat sicherlich Leopold als Kind und Jugendlicher. „Die Marianischen Kongregationen, also die von den Jesuiten für verschiedene städtische Gruppen, vor allem für Schüler und Bürger, gegründeten Vereinigungen bildeten einen
neuen Bruderschaftstypus. … Sie zeichneten sich durch eine straffe, zentralistisch auf Rom ausgerichtete Organisation und eine von der jesuitischen Spiritualität bestimmte geistliche Zielrichtung aus, zugleich aber auch durch moderne Methoden, die – glaubt man den mehrheitlich jesuitischen Quellen – bei der Bevölkerung großen Anklang fanden. Besonders die ‚multimediale‘ Vermittlung religiöser Inhalte durch Bücher, Bilder, Schauspiele und Wettbewerbe verlieh der Mitgliedschaft in den Marianischen Kongregationen hohe Attraktivität. Die Marianischen Kongregationen zielten … auf die katholische Sozialisation ihrer Mitglieder durch ein „neues Ideal der religiösen Lebensführung“. Dieses manifestierte sich im häufigen Sakramentsempfang, in regelmäßigen, von Jesuiten geleiteten, geistlichen
Versammlungen und in einem streng strukturierten, geistlich orientierten Tagesablauf, der von der „protestantischen Arbeitsethik“ nicht weit entfernt war. Insgesamt kann man von einer „regelrechten Klerikalisierung der Laien“
sprechen, die bereits mit der feierlichen Aufnahmezeremonie mit Generalbeichte, Weihegebet und öffentlich abgelegtem tridentinischen Glaubensbekenntnis grundgelegt wurde“ 44 (zitiert aus Mallinckrodt, Rebekka, “Struktur und kollektiver Eigensinn”, ein Aufsatz über Kölner Laienbruderschaften im Zeitalter der Konfessionalisierung, Göttingen 2005)
Leopold geriet also schon im Kindergartenalter in die Hände der Jesuiten, die ihn formten und ausbildeten mit klaren Vorgaben. Ich schreibe bewusst, „er geriet in die Hände der Jesuiten“, weil ich immer schon eine mir früher unerklärliche Abneigung gegen diesen Orden hatte. Es war mir sehr unangenehm, wie kritiklos selbstgerecht die
Jesuiten ihre eigene Überzeugung für richtiger und besser als die aller anderen halten. Der absolutistische Machtanspruch wirkt so stark, dass man sich ihm kaum widersetzen kann, wenn auf der körperlich-emotionalen Seite absoluter Triebverzicht steht, Gehorsam und Unterordnung und am anderen Ende, dem spirituellen, die totale Hingabe an Gott bzw. an den Orden, bzw. an den Papst, der Bodenstation Gottes, wie sie ihn verstehen. „Omnia ad majorem Dei gloriam“ (Alles zur größeren Ehre Gottes) heißt das hohe Ideal des Jesuitenordens, wie es sein Gründer, Ignatius von Loyola, festgelegt hat, der übrigens auch eine Zeit lang in Paris lebte. Die Jesuiten verstehen sich als „Knechte Gottes“, aber welches menschliche Wesen kann von sich behaupten, zu wissen, wie dieser allmächtige Herr im Himmel wirklich ist und vor allem, was er will und was er nicht will? Meiner Meinung nach obliegt es dem menschlichen Geist überhaupt nicht, Gott zu erkennen oder zu definieren. Hier sei ein Vergleich angeführt, den ich gefunden habe, um bildlich darzustellen, wie absurd der Glaube oder der Versuch eines Menschen ist, Gott zu definieren: Es ist ungefähr so, wie wenn ein Blatt in einem Wald verstehen und den anderen Blättern erklären möchte, was ein Naturschutzgebiet ist.
Aber schon immer ist der Mythos Gott und die Angst der Sterblichen vor dem Tod benutzt worden, um die Menschen
zu manipulieren, „Mafia der Seele“ hat OSHO die Priester und die Religionen genannt. Ein klar definiertes und einseitiges Gottesbild wurde benutzt, um die kleinen und großen Menschen zu formen in Richtung Disziplin, Triebverzicht, Unterordnung und Gehorsam, wobei der Mensch nie die Chance hatte, sich jemals auch nur in die Nähe der göttlichen Eigenschaften wie Allmacht, Größe, Barmherzigkeit usw. zu entwickeln. In der christlichen Religion ist schon allein durch die Erbsünde jeder Mensch befleckt und verunreinigt, noch bevor er selbst überhaupt in der Lage war, zu sündigen. Keine Frage, dass es immer auch im Interesse der weltlichen Herrscher war, die Menschen erniedrigt zu sehen und zu halten. ….
Leopold Mozart war “einer der hoffnungsvollsten Schüler des Jesuiten-Gymnasiums St. Salvator, und seine Lehrer erwarteten, dass er sich dem Studium der Theologie zuwende. Dies tat er freilich nicht … Wenn Leopold Mozart in späteren Jahren noch schmunzelnd von dem Schnippchen sprach, das er den Pfaffen geschlagen habe, so ist damit wohl der Zeitpunkt seiner Absage gemeint: er wählte genau den Moment, der für einen anderen, nicht der Theologie gewidmeten Studiengang keine Einbuße bedeutete, aber für seine Erzieher, die sich seiner offenbar schon sicher wähnten, eine ernste Enttäuschung bedeutet haben muss. 45 (zitiert aus Greiter, Aloys, Mozart, S. 16f)
Während Leopold in seiner Kindheit einer von sehr vielen Zöglingen, zur Unterordnung gezwungen war, und sicherlich „das Drama des begabten Kindes“ (Alice Miller hat darüber in ihrem gleichnamigen Buch ausführlich geschrieben)
gespielt hat, das in perfekter Anpassung an die Erwartungen der Umgebung sich selbst verliert und vergisst, war
Gurdjieffs Lebens- und Lernumfeld nicht so gleichgeschaltet und einseitig ausgerichtet. Der älteste Sohn des weithin bekannten Geschichtenerzählers, Bauern und Handwerkers Georgiades hatte mehr Bewegungsspielraum und Möglichkeiten, immer wieder sich selbst zu fühlen und auszudrücken, weil er sowohl in seiner Familie als auch von seinen Lehrern ernst und wichtig genommen wurde mit dem, was er dachte und wollte. Ivanovich hatte neben seinen sehr wohlwollenden männlichen Bezugspersonen auch noch seine Großmutter, die ihn immer ermunterte, seiner eigenen Wahrheit und inneren Stimme zu folgen und unangepasst zu leben.
Texstelle aus “Macht und Willkür, eine lebenübergreifende Autobiographie”, Uta Samiri Reichenberger, Pans Wunderverlag 2008 S. 112ff
„Der Komponist Leopold Mozart resignierte früh, 1775, mit 56 Jahren. Er schrieb keine Noten mehr in den 13 Jahren, die ihm noch blieben. Ein seltsames Verstummen,… Anno 1775 schrieb sein neunzehnjähriger Sohn „Il re pastore“ und jenes A-Dur-Violinkonzert, in dessen Schluss-Menuett Reminiszenzen an die drastischen Überraschungseffekte des Vaters eingegangen sind. Fühlte sich Leopold Mozart als Komponist ausgebrannt oder vom Sohn heillos überrundet? … Welch ein Vater, welch ein Lehrmeister war Leopold Mozart! Er erkannte sehr früh, was manchen Eltern verborgen bleibt oder ärgerlich wird: das ungewöhnliche Talent des Sohnes. Ob er sich einen Sohn gewünscht
hat, der in seine Fußstapfen tritt, bleibt dahingestellt. Er ganz alleine bildete das Talent der beiden Kinder aus. Er war ihr Lehrer in sämtlichen Disziplinen. Er ersetzte alles: Grundschule, Gymnasium, Sprachkurse, Klavier-, Geigen- und Kompositionsstunde, Konservatorium, Hochschule, Universität. Später war er bei den Kunstreisen der Kinder beziehungsweise des heranwachsenden Wolfgang Amadè der Impressario, der Reisemarschall, der Hausarzt, der
Hausapotheker, der „Beichtvater“ und der Ratgeber in allen Lebenslagen – er war, stets besorgt um die öffentliche Anerkennung der Wunderkinder, auch der selbstlose Financier der Europa-Tourneen, der sein Vermögen, sein Erspartes, seinen unbezahlten Urlaub opferte. Vielleicht gab die noch barocke Freude am Kuriosen und an wunderlichen Automaten den verführerischen Gedanken ein, an vseinem über die Maßen begabten Sohn ein verwegenes Erziehungsexperiment zu wagen: Im Treibhaus der Einseitigkeit, in dem er unumschränkt herrschte, sollte ein Weltwunder der Musik herangezüchtet werden, ein Mirakel für das staunende Europa und eine Entschädigung für das eigene, in Hintansetzung zugebrachte Musikerleben. … Was heißt es, einen Sohn mit dem Stigma des Genies heranzuziehen; hinzunehmen, dass er schon als Kind einen übertrumpft; dass er früh zum Kollegen, ja zum Rivalen wird, und dass er einem das durchaus nicht wohlige Gefühl verschafft, man werde dereinst auf seinem Rücken in die Geschichte eingehen? … Leopold Mozart fasziniert als tragische Gestalt. Seine Tragödie war eine Tragödie der Vernünftigkeit. Diese Vernünftigkeit seines Jahrhunderts kehrte sich gegen ihn. Er war als Persönlichkeit gewichtiger als in seiner Eigenschaft als Komponist: als gelehrter Musiker, als Methodiker der Geigenkunst, als getreuer Spiegel seiner Zeit, als Autor, Lehrmeister und Vater. Er hat seine Grundeigenschaft schier auf die Spitze getrieben: die Rechtschaffenheit … Als Persönlichkeit bleibt er ein Monument: ein Monument der Rechtschaffenheit.33 (zitiert aus Mancal, Josef und Karl Schumann, Leopold Mozart zum 200. Todestag, Katalog zur Ausstellung mit zwei Beiträgen, Augsburg 1987, S. 10)
„Karma“ geht auf den Versuch der Seele zurück, im Laufe der verschiedenen Inkarnationen in die Ganzheit zu
kommen. Wolfgang Amadeus Mozarts Vater Leopold ist als „Monument der Rechtschaffenheit“ in die Geschichte eingegangen.
Seine Seele lebte das Antiskript dazu von 1866 – 1949 als Georg Ivanovich Gurdjieff, als spiritueller Krieger und ewiger Wanderer, der absolut eigenwillig und selbstbestimmt seinen Weg ging, unberechenbar und provokativ wie kaum ein anderer. Bei seinen Schülern reizte er die Fähigkeit oder Bereitschaft zur Hingabe bis zum Äußersten aus, wobei er gleichzeitig die Anpassung und Unterordnung als verwerflichste Verhaltensweise anprangerte. Viele Demütigungen mussten seine Schüler hinnehmen, ihr Ego wurde auf tausendfache Weise gereizt und zertrümmert, gleichzeitig fanden sie aber bei ihrem Meister auch ein Gefühl von emotionaler und spiritueller Geborgenheit, das sie auf einer sehr tiefen und gleichzeitig sehr hohen Ebene nährte. Gurdjieff war der charismatische König, der beißende Kritiker, der überhebliche Magier, der gütige Vater, der mitleidslose Krieger und das wilde Tier, alles in einem und noch viel mehr, …
Das vorhergehende Leben des Leopold Mozart ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutungsvoll, wir kommen bald darauf. Leopold Mozart war nicht aus einer geistigen Kleinmütigkeit heraus rechtschaffen, sondern er war es, weil er versuchte, den Gegenpol zu bilden zu der grenzenlosen Kreativität seines Sohnes. Eben weil er nicht beschränkt oder
eingeschränkt war in seiner Wahrnehmung, wie das bei rechtschaffenen Menschen normalerweise der Fall ist, sie blenden alles aus oder verdrängen, was sich nicht einfügt in ihr Bild vom „Richtigen“. Für sie gibt es eine klare Trennung zwischen gut und böse, richtig und falsch. Wäre Leopold ein Mensch gewesen, der die Ganzheit, das Absolute, nicht erfassen kann, weil er die Einheit hinter der Polarität nicht erkennt, dann hätte er auch seinen Sohn Wolfgang nicht so fördern können, wie er es getan hat. Er hätte sicherlich immer wieder versucht, ihn herunterzuziehen, ihn einzugrenzen und seine Energie zu kanalisieren.
Stattdessen hat er versucht, „der Boden zu sein, in dem die Samen der Kunst Wurzeln schlagen können.“ (Thomas de Hartmann in “Our Life with Mr. Gurdjieff”). Er war aber nicht nur der Boden, sondern auch die andere Pflanze im Garten Gottes und der Gärtner. Leopold war nicht fromm sondern spirituell. Er hatte seine eigene – durch den Klerus ungetrübte – Beziehung zu Gott, dem Höchsten, dem Absoluten. Wie nah ihm Gott war, und er versuchte, ihm zu sein,
werden wir erkennen, wenn wir uns mit seinem Vorleben beschäftigen. Diese innere Haltung, die etablierte Autoritäten sehr kritisch beurteilte und nicht unhinterfragt als überlegen anerkennen konnte, wurde ihm auch zum Verhängnis im Umgang sowohl mit den klerikalen als auch mit den aristokratischen Würdenträgern. Ihm als normaler Buchbinderssohn und Vizekapellmeister, als ehemaliger Kammerdiener des Grafen Thurn Valsassina Taxis, wurde sein würdevolles und beifallheischendes Auftreten übelgenommen, vor allem von den Herren und Damen Aristokraten, die sich ihrer Mittelmäßigkeit bewusst wurden im Spiegel, der Leopold in seiner natürlichen Autorität für sie war, und dann auch noch der Stolz auf die besonderen Kinder, das war zu viel für z. B. die “echte Kaiserin“, die natürlich auf allen Ebenen besser sein möchte, als ihre Untertanen. „Kaiserin Maria Theresia … warnte ihren Sohn Erzherzog Ferdinand, der Wolfgang Amadè seiner lombardischen Hofhaltung verpflichten wollte, am 12. Dezember 1771 vor den „unnützen Leuten“, sich mit dieser Art von Menschen, die in der Welt als Bettler herumlaufen, nicht einzulassen.“ 34 (zitiert aus Valentin, Erich, “Leopold Mozart”, List Verlag, München, 1987, S. 96
Leopold hat es wohl nicht ganz durchschaut, warum die Mächtigen und Reichen ihn und sein musikalisches Wunderkind nicht angemessen würdigten, sondern im Gegenteil als Spielzeug benutzten, als Zeitvertreib, um die
Langeweile des Luxuslebens nicht fühlen zu müssen. Ihre eigene Mittelmäßigkeit wurde ihnen schmerzlich bewusst, wenn sie die überragenden Leistungen der Mozarts vorgeführt bekamen. „Warum kann mein Kind das nicht, obwohl es von adeligem Blut ist?“ mag sich da mancher der Aristokraten gefragt haben, und weil Demut eine nicht besonders weit verbreitete Eigenschaft ist, vor allem nicht in diesen Kreisen, musste die Wirkung der Auftritte – nach der anfänglichen
Befriedigung der Sensationslust – eine eher schmerzliche sein, was natürlich dann auch nicht mit reichen Geldspenden honoriert wurde. Hier konnten die Herrschaften ihre Überlegenheit ausspielen und die Achillesferse der Wunderfamilie treffen.
Von den Kollegen, den anderen Komponisten – abgesehen von einigen Ausnahmen, wie z.B. Joseph Haydn, der ein enger Freund und Freimaurerbruder Wolfgang Amadès war – und Musikern erfuhr das kreative Gespann der beiden Mozarts natürlich auch nicht Bewunderung, sondern Neid, Eifersucht und Intrige. All dies war Leopold wohl bewusst, und wenn er seinem Sohn immer wieder riet, sich anzupassen, vernünftig zu sein und an den Gewinn mehr als an die Ehre zu denken, dann vor allem deshalb, weil er wusste, dass ihm die großartigsten Leistungen nichts nützen und er zum Untergang verurteilt ist, wenn er den Gesetzen der irdischen Welt, von der er ja zumindest körperlich ein Teil ist, nicht gehorcht.
Wolfgang Amadeus Mozart hätte im Alter von 31 Jahren den Tod seines Vaters (28.5.1987) betrauern sollen, was
er aber nicht konnte. Er verarbeitete seinen Schmerz, seine Zerrissenheit und seine Angst, indem er die Musik zur Oper „Don Giovanni“ schrieb. Möglicherweise hat er sich wie jener berüchtigte Opernheld gefühlt, wenn er sich selbst und
sein wenig dankbares Verhalten durch die Augen seines Vaters betrachtete. Allerdings war Mozart nicht getrieben vom sexuellen Hunger nach Lust und Eroberung, sondern von Sehnsucht nach der Vereinigung mit der Muse selbst, was
ja höchst produktiv und moralisch überhaupt nicht verwerflich war und ist. Für seinen Vater allerdings, der Mozarts Begabung erkannt und unter Aufbietung all seiner Kraft optimal gefördert hatte, war es nicht zu verkraften, emotional
immer mehr den Kontakt zu seinem Wunderkind zu verlieren. Er fühlte sich verraten und verlassen, nach Verbrauch weggeworfen.
Texstelle aus “Macht und Willkür, eine lebenübergreifende Autobiographie”, Uta Samiri Reichenberger, Pans Wunderverlag 2008 S. 91ff
Leopold Mozart hatte wohl innerlich seinen Boden verloren, nachdem seine Frau gestorben war und zog sich danach immer mehr zusammen, wurde verbittert und depressiv. Dass er selbst es aber war, der sich von einer Reise nach Paris den großen Durchbruch und Erfolg erhoffte und deswegen seinen erwachsenen Sohn mit Mutter dorthin geschickt
hatte, dass er möglicherweise seine Frau überfordert und den Sohn gezwungen hatte, so dass eigentlich beide nicht aus eigenem Willen und freien Stücken in Paris waren und deswegen der Ausgang des Projekts so wenig erfolgreich und
sogar tragisch war, dafür hat er wohl zu wenig Verantwortung übernommen und nur seinem Sohn die Schuld gegeben. „Als wäre es Mord, fahndet er nach dem Täter. Dem Fürstbischof Ignaz Joseph Graf von Spaur in Brixen schreibt er, sein Dienstherr, Colloredo, habe ‚das unglückliche Instrument´ sein sollen, ‚dass nach der unzertrennlichen Kette der
göttlichen Vorsehung die ehrlichste Frau und beste Mutter ihr Grab in Paris suchen musste´. Was er wirklich denkt, schreibt er nicht: Sein Fürst ist kein unschuldiges Instrument der Vorsehung, sondern durch die verweigerte Urlaubsreise von Vater und Sohn ein Täter aus unchristlicher Bosheit. Aber ist nicht auch er, Leopold, selber zum schuldigen Instrument geworden? Er habe die liebe Mutter, so Leopold an den Sohn, `gänzlichdir – und meiner Ruhe aufgeopfert`. Dieser Verdacht gegen sich selbst kommt und geht. Denn die wahre Schuld trägt der Sohn. … Wenn sich seine Frau auch selbst vernachlässigte, so ist sie doch auch ‚vernachlässigt worden´. Von wem wohl? Es bleibt zunächst bei Andeutungen. Aber dreieinhalb Monate später, als sich der Sohn auf seiner Heimreise von Paris gegen den erklärten väterlichen Willen so viel Zeit lässt, sprengt die gestaute Erbitterung alle Dämme: `ich hoffe, dass du, nachdem deine Mutter mal à propos in Paris hat sterben müssen, du dir nicht auch die Beförderung des Todes deines Vaters über dein Gewissen ziehen willst`. …Auf den Kern gebracht lautet Leopolds Anklage gegen den Sohn, nach Abschluss penibler Ermittlungen aller Abläufe, auf fahrlässige Tötung und vorsätzliche Vorbereitung einer weiteren. Die Verzweiflung über den Tod seiner Frau macht ihn maßlos. Dabei weiß er, wie ungerecht es ist, den Sohn mit der Schuld am Tod der Mutter zu belasten. Umso mehr, als er wissen muss, dass sich der Sohn wirklich schuldig fühlt, auch wenn oder gerade weil er beteuert, die Mutter habe sterben müssen, Gott habe sie haben wollen.“ 41 (zitiert aus Pieck, Werner, “Die Mozarts”, S. 270f)
Ein Künstler eignet sich nicht als fürsorglicher Betreuer schwacher oder kränkelnder Menschen. Sein Focus ist nicht nach außen auf andere Menschen, sondern nach innen und nach oben, ins Geistige, gerichtet, um das göttliche Diktat aufzunehmen. Er sucht die Kommunion mit der Quelle der Schöpferkraft, um in seinen Werken zu manifestieren, was die Inspiration ihm schenkt. Von unten nach oben geht sein Streben, in die geistigen Höhen der göttlichen Quellen von erhabener Schönheit, ihnen gilt seine Hingabe. In diesem entgrenzten Zustand erlebt er eine ekstatische Verzückung, wie er sie nirgendwo sonst finden kann. Die Wirkung der auf diese Weise entstandenen Musik ist ein Zeugnis und bietet eine Ahnung von dem, was der Komponist in der kreativen Vereinigung mit der Muse erlebt.
Texstelle aus “Macht und Willkür, eine lebenübergreifende Autobiographie”, Uta Samiri Reichenberger, Pans Wunderverlag 2008 S. 109f
Wenn Mozart Arien komponierte, identifizierte er sich vollkommen mit der Person in der jeweiligen Situation. Er ließ das Gefühl in sich aufsteigen, das er hätte, wenn er in deren Lage wäre. Diese Energie ließ er wachsen, hoch hinauf in die geistigen und spirituellen Gefielde und verband sie schließlich mit der perfekt dazu passenden Musik. Gefühle waren also für ihn Auslöser und Transportmittel in das Reich der Harmonien, aus dem er schöpfen und erschaffen konnte,
was den Hörer dann auf mehreren Ebenen gleichzeitig anspricht und inspiriert: spirituell, mental und emotional.
Im Frühsommer 1787 hat Mozart damit begonnen, die Musik für die Oper „Don Giovanni“ zu komponieren, es war die Zeit, in der sein Vater Leopold Mozart gestorben ist, (28. Mai), den Wolfgang abgeschüttelt hatte wie ein lästiges Insekt, aber wahrscheinlich nicht ohne schlechtes Gewissen. Wichtiger als alles andere war die Freiheit und Selbstbestimmung für ihn und da war er nicht reif genug, mit dem Vater einen innigen Umgang zu pflegen und trotzdem vollkommen
unabhängig seinen ganz eigenen Weg zu gehen. Ein Stück weit hat er sicherlich seine Herkunftsfamilie durch die Familie Weber, aus der seine Frau stammte, ersetzt, denn ganz ohne Nest konnte er nicht sein, was auch nicht verwunderlich ist. Je höher ein Vogel fliegt, desto tiefer kann er abstürzen, desto erschöpfter ist er nach der Rückkehr von seinen Flügen und desto mehr braucht er fürsorgliche Zuwendung und Geborgenheit. Was Wolfgang natürlich nicht
durchschaut hat, war, dass er von den einen Fängen in die anderen gekommen ist: Constanze und ihre Mutter brachten Mozart wohl mit sanfter Gewalt dazu, sein Junggesellenleben aufzugeben; vielleicht waren sie es, die die Gerüchte über
ein Verhältnis Mozarts mit Constanze in Umlauf brachten oder begünstigten; jedenfalls setzten sie ihn durch einen Ehevertrag unter Druck, in dem er sich verpflichten musste, Constanze innerhalb von drei Jahren zu heiraten und drohten gar mit der Polizei. Die Freiheit lebte Wolfgang im kreativen Schaffen aus, die Geborgenheit und Sicherheit wünschte er sich und brauchte er von einer geliebten Frau. Don Giovanni war auf der Jagd nach schneller und unverbindlicher Liebe, er folgte dem Reiz der Eroberung und wollte den schnellen und kurzfristigen Lustgewinn, immer hungrig und nie befriedigt, ohne echtes Interesse an seinen Opfern oder Verantwortungsbewusstsein für sein Tun und
dessen Konsequenzen. Der Held dieser Oper hat alle Eigenschaften, die den Conquistadores zueigen waren, die die von ihnen eroberten Länder innerhalb weniger Jahrzehnte in den sozialen, wirtschaftlichen und moralischen Ruin getrieben haben. Der Stoff des „Don Giovanni“ stammt aus Spanien und wurde 1613 das erste Mal als Schauspiel unter dem Titel „El burlador de Sevilla y convidado de piedra“ aufgeführt. Ein „Don“ ist der Titelheld, wie die Herren Pizarro und Almagro, de Soto und Toledo, von der Gier nach Lust und Eroberung getrieben, nicht gebremst und nicht zu bremsen
durch irgendwelche moralischen, sittlichen oder gefühlsmäßigen Einwände.
Texstelle aus “Macht und Willkür, eine lebenübergreifende Autobiographie”, Uta Samiri Reichenberger, Pans Wunderverlag 2008 S. 312f
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Lernen durch Beziehung und Lehren in Beziehungen
Für mich ist es klar und selbstverständlich, dass Beziehungen zum Lernen da sind, und es ist für mich sehr wichtig, das Kind in mir nicht zu vergessen und zu übergehen.
Es stößt mir schnell auf, wenn meine Gesprächspartner aus ihren verkrusteten und verhärteten Haltungen und Einstellungen heraus Belehrungen aussprechen, die nur Wiederholungen sind von bereits x-mal gedachten und ausgesprochenen Überzeugungen.
Für mich ist es notwendig, immer aus einer Quelle von Erkenntnis zu schöpfen, die gespeist wird sowohl von dem, was jemand an Erfahrungsschatz und Weisheit mitbringt, als auch von dem, was jetzt gerade in diesem Moment an Einflüssen und Inspiration vorhanden ist, da bin ich frustriert, wenn es mir in Gesprächen nicht gelingt, meine Energie in einer Weise einzubringen, dass der andere in Resonanz geht, dass er sich für mich, meine Energie und meine Worte öffnet.
Solange nur fertiges Wissen und feste Standpunkte ausgetauscht werden, fehlt der kreative Aspekt, der den Dialog auszeichnet, wo jeder vom und durch den anderen inspiriert und angestoßen wird, tiefer zu gehen in seinen Fragen und Beantwortungsversuchen. Wenn dieser dialogische Prozess bezogen auf ein bestimmtes Anliegen oder Thema hin geführt wird und wenn jeder den Wunsch hat, mit Hilfe des anderen eine neue Wahrheitsebene zu erklimmen, die ihm
alleine nicht zugänglich gewesen wäre, dann kann jeder Beteiligte viel lernen und gewinnen. Gewinnen wird er oder sie eine neue Möglichkeit, Fragen und Themen, mit denen er sich beschäftigt, durch eine neue Brille oder durch ein anderes Kaleidoskop zu betrachten und dies bedeutet eine Erweiterung des Bewusstseins.
Allerdings muss zunächst auf die „elastische Art“ auf den anderen und seine Frage oder seinen Einwand eingegangen werden und wenn das nicht der Fall ist, kann auch kein dialogischer Austausch gelingen. Wenn keine oder zu wenig Öffnung vorhanden ist für den und das andere, während man im Senden ist, dann kann keine gegenseitige Befruchtung stattfinden.
Für mich ist es unbefriedigend, wenn nur der mentale Kontakt gesucht wird und wenn Senden und Empfangen sich nicht miteinander vermischen in den einzelnen Personen und auch in der Gruppe. Man kann sich aber nur mit anderen vermischen, wenn man weich und fließend ist, alle müssen ihre Festigkeit (Rechthaberei) aufgeben, sonst ist es nur, wie wenn ein Stein ins Wasser plumpst und da liegen bleibt.
Die meisten Menschen sehnen sich nach tiefem und befriedigendem Austausch mit anderen, aber sie sehen oft nicht, dass ihre eigene Festigkeit und ihr Beharren und Festhalten an bestimmten mentalen Konzepten und Inhalten genau dies verhindert.
Der Verstand kann nur linear und sequentiell Informationen aufnehmen, verarbeiten und bei der Integration geht er anders vor als das Herz. Er wird nämlich die Informationen einsortieren und ablegen, dort, wo ähnliche oder gleiche Inhalte bereits gespeichert sind, und jeder von uns hat so eine Registratur in seinem Kopf, in der das Gelernte abgelegt und gespeichert ist. Diese Wissensinhalte sind jedoch operational nicht so verfügbar wie die Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir aus emotionalem Lernen gezogen haben, und aus diesem Grund ist es wichtig, das Fühlen und die Hingabe an den und das andere immer mit einzubeziehen in jeden Austausch, von dem wir etwas lernen wollen.
Deswegen ist es so wichtig, sich auf der emotionalen Ebene aufeinander „einzutunen“, denn nur das Herz kann multisensorische Reize aufnehmen, verarbeiten und integrieren.
„Mut zur Wahrheit“ ist eine meiner Lieblingsparolen, weil ich erkannt habe, dass Kommunikation für alle Beteiligten nur dann interessant und lehrreich und fruchtbar ist, wenn jeder so viel wie möglich einbringt an Selbstoffenbarung im Senden und an Bereitschaft, den anderen zu verstehen, indem man ihn in seiner Ganzheit begrüßt und annimmt, ohne ihn, und das was er sagen möchte, zu beurteilen oder einzusortieren ins eigene Bewusstseinsregister.
Das Bewusstsein ist und braucht Raum und definiert Räume gleichzeitig. Wenn wir identifiziert sind mit bestimmten Bildern und Vorstellungen von uns selbst, wie und was wir sind und wie und was wir nicht sind, wenn unsere Wertesysteme in uns wirken, ohne dass wir das wollt oder wissen, dann ist es schwierig für uns, mit anderen in einen Austausch zu treten, der uns hilft, über uns hinaus und tiefer in uns hinein zu wachsen, denn wir werden abwehren, was der in uns installierte Filter nicht passieren lässt. Je mehr Überzeugungen in uns wirken, die sagen, „so bin ich nicht“ oder „so ist es nicht“, desto schwieriger wird es für uns sein, einen dialogischen Austausch geschehen zu lassen, der uns eine echte Öffnung und Erweiterung unseres Bewusstseins bringt. Umgekehrt werden Gespräche umso interessanter,
bereichernder und befruchtender, je freier und leerer unser Geist und unser Wesen ist und je offener unser Herz.
Wenn wir mit einem offenen Herzen und mit einem kritischen Verstand in eine Beziehung gehen, dann können wir beim Zuhören unseren inneren Raum so weit aufmachen, dass er leer ist für die Informationen, die der Sender dort hineinschicken will und der kritische Verstand kann dann, nachdem man wirklich versucht hat, zu verstehen und zu fühlen, wie der andere tickt und was er mir sagen will, seine Fragen stellen, die zum Ausdruck bringen, wie man auf
das in Resonanz geht, was vom Gegenüber gekommen ist.
Und dann sollte der vorherige Sender auf Empfang schalten und seinen inneren Raum ganz aufmachen, so dass er leer ist und mich und meine Präsenz und Fragen aufnehmen kann. Daraus kann sich dann eine echte Vermischung ergeben, ein Dialog, in dem jeder in gleicher Weise ausdrückt (als Sender), was in ihm ist und aufnimmt (als Empfänger), was vom anderen kommt.
So sollten auch die Erwachsenen mit Kindern umgehen, dann würden die Kinder einen klaren Spiegel bekommen für das, was sie sind, und es wäre ihnen möglich, aus ihrer eigenen Zentrierung heraus ihre Nachforschungen das Leben betreffend zu betreiben. Stattdessen werden die Kinder gebremst und gelenkt, getadelt und gelobt und dadurch verlieren sie ihr eigenes Wahrnehmungszentrum und passen sich immer mehr an das an, was ihnen von außen
her als stimmig „verkauft“ wird, und sie müssen es kaufen, denn sie brauchen das Gefühl, richtig und integriert zu sein.
Der Erziehungsbegriff sollte neu definiert werden: Die Menschen, die Kinder beim Aufwachsen begleiten, sollten
nicht die Kinder sondern sich selbst zu erziehen versuchen. Sie sollten nämlich in jedem Augenblick auf den Spiegel achten, der sie für ihr Kind sind. Sie sollten sich nicht anmaßen, die Kinder formen und lenken zu dürfen, sondern die
grundsätzliche Verschiedenheit jedes einzelnen Menschen, egal ob klein oder groß, als Basis für die Beziehung annehmen und deswegen dem Kind ein maximales Maß an Freiheit und Selbstausdruck zugestehen. Sie sollten ihre eigenen Gedanken und Gefühle als solche kennzeichnen und im Dialog dem Kind helfen, seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen, ohne sie zu bewerten.
Nur dann, wenn das Kind nicht abgelehnt, ausgelacht oder beschämt wird, kann es die Anteile von sich selbst, die später als „Schatten“ im Unterbewusstsein ihr Dasein fristen werden, fühlen, annehmen und kommunizieren. Und das Kind wird nur durch diese repressionsfreie Art der Kommunikation seine Ganzheit behalten und bewahren und lernen, mit sich und seiner Energie auf eine konstruktive Art umzugehen und natürlich braucht es dafür auch das Vorbild von Erwachsenen, die ihre unliebsamen Triebe und Verhaltensweisen nicht verdrängen, verleugnen und verstecken.
Dann lernt das Kind nämlich, dass jeder Mensch tolle und weniger tolle Seiten hat, und dass das Tier in sich genauso viel oder noch mehr Liebe braucht wie der Saubermann.
Aber welcher Erwachsene will auf die Bewunderung und Überlegenheit verzichten die er glaubt, von seinem Kind zu bekommen, weil er groß und überlegen ist und wenn er sich als perfekt hinstellt?
Wenn er so tut, als müsste nur das Kind lernen und erzogen werden!
Uta Samiri Reichenberger mit Pan am 25.August 2011
Lernen durch Beziehung
und Lehren in Beziehungen
Für mich ist es klar und selbstverständlich, dass
Beziehungen zum Lernen da sind, und es ist für mich sehr wichtig, das Kind in
mir nicht zu vergessen und zu übergehen.
Es stößt mir schnell auf, wenn meine Gesprächspartner aus
ihren verkrusteten und verhärteten Haltungen und Einstellungen heraus
Belehrungen aussprechen, die nur Wiederholungen sind von bereits x-mal
gedachten und ausgesprochenen Überzeugungen.
Für mich ist es notwendig, immer aus einer Quelle von
Erkenntnis zu schöpfen, die gespeist wird sowohl von dem, was jemand an
Erfahrungsschatz und Weisheit mitbringt, als auch von dem, was jetzt gerade in
diesem Moment an Einflüssen und Inspiration vorhanden ist, da bin ich
frustriert, wenn es mir in Gesprächen nicht gelingt, meine Energie in einer
Weise einzubringen, dass der andere in Resonanz geht, dass er sich für mich,
meine Energie und meine Worte öffnet.
Solange nur fertiges Wissen und feste Standpunkte ausgetauscht
werden, fehlt der kreative Aspekt, der den Dialog auszeichnet, wo jeder vom und
durch den anderen inspiriert und angestoßen wird, tiefer zu gehen in seinen
Fragen und Beantwortungsversuchen. Wenn dieser dialogische Prozess bezogen auf
ein bestimmtes Anliegen oder Thema hin geführt wird und wenn jeder den Wunsch
hat, mit Hilfe des anderen eine neue Wahrheitsebene zu erklimmen, die ihm
alleine nicht zugänglich gewesen wäre, dann kann jeder Beteiligte viel lernen
und gewinnen. Gewinnen wird er oder sie eine neue Möglichkeit, Fragen und
Themen, mit denen er sich beschäftigt, durch eine neue Brille oder durch ein
anderes Kaleidoskop zu betrachten und dies bedeutet eine Erweiterung des
Bewusstseins.
Allerdings muss zunächst auf die „elastische Art“ auf den
anderen und seine Frage oder seinen Einwand eingegangen werden und wenn das
nicht der Fall ist, kann auch kein dialogischer Austausch gelingen. Wenn keine
oder zu wenig Öffnung vorhanden ist für den und das andere, während man im
Senden ist, dann kann keine gegenseitige Befruchtung stattfinden.
Für mich ist es unbefriedigend, wenn nur der mentale Kontakt
gesucht wird und wenn Senden und Empfangen sich nicht miteinander vermischen in
den einzelnen Personen und auch in der Gruppe. Man kann sich aber nur mit
anderen vermischen, wenn man weich und fließend ist, alle müssen ihre
Festigkeit (Rechthaberei) aufgeben, sonst ist es nur, wie wenn ein Stein ins
Wasser plumpst und da liegen bleibt.
Die meisten Menschen sehnen sich nach tiefem und
befriedigendem Austausch mit anderen, aber sie sehen oft nicht, dass ihre
eigene Festigkeit und ihr Beharren und Festhalten an bestimmten mentalen
Konzepten und Inhalten genau dies verhindert.
Der Verstand kann nur linear und sequentiell Informationen
aufnehmen, verarbeiten und bei der Integration geht er anders vor als das Herz.
Er wird nämlich die Informationen einsortieren und ablegen, dort, wo ähnliche
oder gleiche Inhalte bereits gespeichert sind, und jeder von uns hat so eine
Registratur in seinem Kopf, in der das Gelernte abgelegt und gespeichert ist.
Diese Wissensinhalte sind jedoch operational nicht so verfügbar wie die
Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir aus emotionalem Lernen gezogen haben, und
aus diesem Grund ist es wichtig, das Fühlen und die Hingabe an den und das
andere immer mit einzubeziehen in jeden Austausch, von dem wir etwas lernen
wollen.
Deswegen ist es so wichtig, sich auf der emotionalen Ebene
aufeinander „einzutunen“, denn nur das Herz kann multisensorische Reize
aufnehmen, verarbeiten und integrieren.
„Mut zur Wahrheit“ ist eine meiner Lieblingsparolen, weil
ich erkannt habe, dass Kommunikation für alle Beteiligten nur dann interessant
und lehrreich und fruchtbar ist, wenn jeder so viel wie möglich einbringt an
Selbstoffenbarung im Senden und an Bereitschaft, den anderen zu verstehen,
indem man ihn in seiner Ganzheit begrüßt und annimmt, ohne ihn, und das was er
sagen möchte, zu beurteilen oder einzusortieren ins eigene Bewusstseinsregister.
Das Bewusstsein ist und braucht Raum und definiert Räume
gleichzeitig. Wenn wir identifiziert sind mit bestimmten Bildern und
Vorstellungen von uns selbst, wie und was wir sind und wie und was wir nicht
sind, wenn unsere Wertesysteme in uns wirken, ohne dass wir das wollt oder
wissen, dann ist es schwierig für uns, mit anderen in einen Austausch zu treten,
der uns hilft, über uns hinaus und tiefer in uns hinein zu wachsen, denn wir
werden abwehren, was der in uns installierte Filter nicht passieren lässt. Je
mehr Überzeugungen in uns wirken, die sagen, „so bin ich nicht“ oder „so ist es
nicht“, desto schwieriger wird es für uns sein, einen dialogischen Austausch
geschehen zu lassen, der uns eine echte Öffnung und Erweiterung unseres
Bewusstseins bringt. Umgekehrt werden Gespräche umso interessanter,
bereichernder und befruchtender, je freier und leerer unser Geist und unser
Wesen ist und je offener unser Herz.
Wenn wir mit einem offenen Herzen und mit einem kritischen
Verstand in eine Beziehung gehen, dann können wir beim Zuhören unseren inneren
Raum so weit aufmachen, dass er leer ist für die Informationen, die der Sender
dort hineinschicken will und der kritische Verstand kann dann, nachdem man
wirklich versucht hat, zu verstehen und zu fühlen, wie der andere tickt und was
er mir sagen will, seine Fragen stellen, die zum Ausdruck bringen, wie man auf
das in Resonanz geht, was vom Gegenüber gekommen ist.
Und dann sollte der vorherige Sender auf Empfang schalten
und seinen inneren Raum ganz aufmachen, so dass er leer ist und mich und meine
Präsenz und Fragen aufnehmen kann. Daraus kann sich dann eine echte Vermischung
ergeben, ein Dialog, in dem jeder in gleicher Weise ausdrückt (als Sender), was
in ihm ist und aufnimmt (als Empfänger), was vom anderen kommt.
So sollten auch die Erwachsenen mit Kindern umgehen, dann
würden die Kinder einen klaren Spiegel bekommen für das, was sie sind, und es
wäre ihnen möglich, aus ihrer eigenen Zentrierung heraus ihre Nachforschungen
das Leben betreffend zu betreiben. Stattdessen werden die Kinder gebremst und
gelenkt, getadelt und gelobt und dadurch verlieren sie ihr eigenes
Wahrnehmungszentrum und passen sich immer mehr an das an, was ihnen von außen
her als stimmig „verkauft“ wird, und sie müssen es kaufen, denn sie brauchen
das Gefühl, richtig und integriert zu sein.
Der Erziehungsbegriff sollte neu definiert werden:
Die Menschen, die Kinder beim Aufwachsen begleiten, sollten
nicht die Kinder sondern sich selbst zu erziehen versuchen. Sie sollten nämlich
in jedem Augenblick auf den Spiegel achten, der sie für ihr Kind sind. Sie
sollten sich nicht anmaßen, die Kinder formen und lenken zu dürfen, sondern die
grundsätzliche Verschiedenheit jedes einzelnen Menschen, egal ob klein oder
groß, als Basis für die Beziehung annehmen und deswegen dem Kind ein maximales
Maß an Freiheit und Selbstausdruck zugestehen. Sie sollten ihre eigenen
Gedanken und Gefühle als solche kennzeichnen und im Dialog dem Kind helfen, seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck
zu bringen, ohne sie zu bewerten.
Nur dann, wenn das Kind nicht abgelehnt, ausgelacht oder
beschämt wird, kann es die Anteile von sich selbst, die später als „Schatten“
im Unterbewusstsein ihr Dasein fristen werden, fühlen, annehmen und
kommunizieren. Und das Kind wird nur durch diese repressionsfreie Art der
Kommunikation seine Ganzheit behalten und bewahren und lernen, mit sich und
seiner Energie auf eine konstruktive Art umzugehen und natürlich braucht es
dafür auch das Vorbild von Erwachsenen, die ihre unliebsamen Triebe und
Verhaltensweisen nicht verdrängen, verleugnen und verstecken.
Dann lernt das Kind nämlich, dass jeder Mensch tolle und
weniger tolle Seiten hat, und dass das Tier in sich genauso viel oder noch mehr
Liebe braucht wie der Saubermann.
Aber welcher Erwachsene will auf die Bewunderung und
Überlegenheit verzichten die er glaubt, von seinem Kind zu bekommen, weil er
groß und überlegen ist und wenn er sich als perfekt hinstellt?
Wenn er so tut, als müsste nur das Kind lernen und erzogen
werden!
Uta Samiri
Reichenberger mit Pan am 25.August 2011
Lernen durch Beziehung
und Lehren in Beziehungen
Für mich ist es klar und selbstverständlich, dass
Beziehungen zum Lernen da sind, und es ist für mich sehr wichtig, das Kind in
mir nicht zu vergessen und zu übergehen.
Es stößt mir schnell auf, wenn meine Gesprächspartner aus
ihren verkrusteten und verhärteten Haltungen und Einstellungen heraus
Belehrungen aussprechen, die nur Wiederholungen sind von bereits x-mal
gedachten und ausgesprochenen Überzeugungen.
Für mich ist es notwendig, immer aus einer Quelle von
Erkenntnis zu schöpfen, die gespeist wird sowohl von dem, was jemand an
Erfahrungsschatz und Weisheit mitbringt, als auch von dem, was jetzt gerade in
diesem Moment an Einflüssen und Inspiration vorhanden ist, da bin ich
frustriert, wenn es mir in Gesprächen nicht gelingt, meine Energie in einer
Weise einzubringen, dass der andere in Resonanz geht, dass er sich für mich,
meine Energie und meine Worte öffnet.
Solange nur fertiges Wissen und feste Standpunkte ausgetauscht
werden, fehlt der kreative Aspekt, der den Dialog auszeichnet, wo jeder vom und
durch den anderen inspiriert und angestoßen wird, tiefer zu gehen in seinen
Fragen und Beantwortungsversuchen. Wenn dieser dialogische Prozess bezogen auf
ein bestimmtes Anliegen oder Thema hin geführt wird und wenn jeder den Wunsch
hat, mit Hilfe des anderen eine neue Wahrheitsebene zu erklimmen, die ihm
alleine nicht zugänglich gewesen wäre, dann kann jeder Beteiligte viel lernen
und gewinnen. Gewinnen wird er oder sie eine neue Möglichkeit, Fragen und
Themen, mit denen er sich beschäftigt, durch eine neue Brille oder durch ein
anderes Kaleidoskop zu betrachten und dies bedeutet eine Erweiterung des
Bewusstseins.
Allerdings muss zunächst auf die „elastische Art“ auf den
anderen und seine Frage oder seinen Einwand eingegangen werden und wenn das
nicht der Fall ist, kann auch kein dialogischer Austausch gelingen. Wenn keine
oder zu wenig Öffnung vorhanden ist für den und das andere, während man im
Senden ist, dann kann keine gegenseitige Befruchtung stattfinden.
Für mich ist es unbefriedigend, wenn nur der mentale Kontakt
gesucht wird und wenn Senden und Empfangen sich nicht miteinander vermischen in
den einzelnen Personen und auch in der Gruppe. Man kann sich aber nur mit
anderen vermischen, wenn man weich und fließend ist, alle müssen ihre
Festigkeit (Rechthaberei) aufgeben, sonst ist es nur, wie wenn ein Stein ins
Wasser plumpst und da liegen bleibt.
Die meisten Menschen sehnen sich nach tiefem und
befriedigendem Austausch mit anderen, aber sie sehen oft nicht, dass ihre
eigene Festigkeit und ihr Beharren und Festhalten an bestimmten mentalen
Konzepten und Inhalten genau dies verhindert.
Der Verstand kann nur linear und sequentiell Informationen
aufnehmen, verarbeiten und bei der Integration geht er anders vor als das Herz.
Er wird nämlich die Informationen einsortieren und ablegen, dort, wo ähnliche
oder gleiche Inhalte bereits gespeichert sind, und jeder von uns hat so eine
Registratur in seinem Kopf, in der das Gelernte abgelegt und gespeichert ist.
Diese Wissensinhalte sind jedoch operational nicht so verfügbar wie die
Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir aus emotionalem Lernen gezogen haben, und
aus diesem Grund ist es wichtig, das Fühlen und die Hingabe an den und das
andere immer mit einzubeziehen in jeden Austausch, von dem wir etwas lernen
wollen.
Deswegen ist es so wichtig, sich auf der emotionalen Ebene
aufeinander „einzutunen“, denn nur das Herz kann multisensorische Reize
aufnehmen, verarbeiten und integrieren.
„Mut zur Wahrheit“ ist eine meiner Lieblingsparolen, weil
ich erkannt habe, dass Kommunikation für alle Beteiligten nur dann interessant
und lehrreich und fruchtbar ist, wenn jeder so viel wie möglich einbringt an
Selbstoffenbarung im Senden und an Bereitschaft, den anderen zu verstehen,
indem man ihn in seiner Ganzheit begrüßt und annimmt, ohne ihn, und das was er
sagen möchte, zu beurteilen oder einzusortieren ins eigene Bewusstseinsregister.
Das Bewusstsein ist und braucht Raum und definiert Räume
gleichzeitig. Wenn wir identifiziert sind mit bestimmten Bildern und
Vorstellungen von uns selbst, wie und was wir sind und wie und was wir nicht
sind, wenn unsere Wertesysteme in uns wirken, ohne dass wir das wollt oder
wissen, dann ist es schwierig für uns, mit anderen in einen Austausch zu treten,
der uns hilft, über uns hinaus und tiefer in uns hinein zu wachsen, denn wir
werden abwehren, was der in uns installierte Filter nicht passieren lässt. Je
mehr Überzeugungen in uns wirken, die sagen, „so bin ich nicht“ oder „so ist es
nicht“, desto schwieriger wird es für uns sein, einen dialogischen Austausch
geschehen zu lassen, der uns eine echte Öffnung und Erweiterung unseres
Bewusstseins bringt. Umgekehrt werden Gespräche umso interessanter,
bereichernder und befruchtender, je freier und leerer unser Geist und unser
Wesen ist und je offener unser Herz.
Wenn wir mit einem offenen Herzen und mit einem kritischen
Verstand in eine Beziehung gehen, dann können wir beim Zuhören unseren inneren
Raum so weit aufmachen, dass er leer ist für die Informationen, die der Sender
dort hineinschicken will und der kritische Verstand kann dann, nachdem man
wirklich versucht hat, zu verstehen und zu fühlen, wie der andere tickt und was
er mir sagen will, seine Fragen stellen, die zum Ausdruck bringen, wie man auf
das in Resonanz geht, was vom Gegenüber gekommen ist.
Und dann sollte der vorherige Sender auf Empfang schalten
und seinen inneren Raum ganz aufmachen, so dass er leer ist und mich und meine
Präsenz und Fragen aufnehmen kann. Daraus kann sich dann eine echte Vermischung
ergeben, ein Dialog, in dem jeder in gleicher Weise ausdrückt (als Sender), was
in ihm ist und aufnimmt (als Empfänger), was vom anderen kommt.
So sollten auch die Erwachsenen mit Kindern umgehen, dann
würden die Kinder einen klaren Spiegel bekommen für das, was sie sind, und es
wäre ihnen möglich, aus ihrer eigenen Zentrierung heraus ihre Nachforschungen
das Leben betreffend zu betreiben. Stattdessen werden die Kinder gebremst und
gelenkt, getadelt und gelobt und dadurch verlieren sie ihr eigenes
Wahrnehmungszentrum und passen sich immer mehr an das an, was ihnen von außen
her als stimmig „verkauft“ wird, und sie müssen es kaufen, denn sie brauchen
das Gefühl, richtig und integriert zu sein.
Der Erziehungsbegriff sollte neu definiert werden:
Die Menschen, die Kinder beim Aufwachsen begleiten, sollten
nicht die Kinder sondern sich selbst zu erziehen versuchen. Sie sollten nämlich
in jedem Augenblick auf den Spiegel achten, der sie für ihr Kind sind. Sie
sollten sich nicht anmaßen, die Kinder formen und lenken zu dürfen, sondern die
grundsätzliche Verschiedenheit jedes einzelnen Menschen, egal ob klein oder
groß, als Basis für die Beziehung annehmen und deswegen dem Kind ein maximales
Maß an Freiheit und Selbstausdruck zugestehen. Sie sollten ihre eigenen
Gedanken und Gefühle als solche kennzeichnen und im Dialog dem Kind helfen, seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck
zu bringen, ohne sie zu bewerten.
Nur dann, wenn das Kind nicht abgelehnt, ausgelacht oder
beschämt wird, kann es die Anteile von sich selbst, die später als „Schatten“
im Unterbewusstsein ihr Dasein fristen werden, fühlen, annehmen und
kommunizieren. Und das Kind wird nur durch diese repressionsfreie Art der
Kommunikation seine Ganzheit behalten und bewahren und lernen, mit sich und
seiner Energie auf eine konstruktive Art umzugehen und natürlich braucht es
dafür auch das Vorbild von Erwachsenen, die ihre unliebsamen Triebe und
Verhaltensweisen nicht verdrängen, verleugnen und verstecken.
Dann lernt das Kind nämlich, dass jeder Mensch tolle und
weniger tolle Seiten hat, und dass das Tier in sich genauso viel oder noch mehr
Liebe braucht wie der Saubermann.
Aber welcher Erwachsene will auf die Bewunderung und
Überlegenheit verzichten die er glaubt, von seinem Kind zu bekommen, weil er
groß und überlegen ist und wenn er sich als perfekt hinstellt?
Wenn er so tut, als müsste nur das Kind lernen und erzogen
werden!
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Reichenberger mit Pan am 25.August 2011
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